Objekt #17 / Arnold Schönberg: Nachtstück

Öl auf Sperrholz
ca. April 1911
Catalogue raisonné 151

Belmont Music Publishers, Pacific Palisades/CA

»Zur Zeit, als ich malte, war ich in der Lage, eine Linie von 3, 4 oder mehr Zoll, ja sogar 38 Zoll Länge beinahe korrekt in 3, 5, 7, 9, 11 und 13 gleiche Abschnitte zu teilen; oder ich konnte sagen, dass ein Band 97 Centimeter lang war; auch zeichnete ich einen Kreis, markierte den Mittelpunkt, der nur geringfügig von der mit einem Zirkel nachgemessenen Stelle abwich.
Ich konnte auch feststellen, dass ich oder meine Kinder eine Temperatur von (z. B.) 38 3/10 Grad Réaumur hatten. Ich konnte auch Gewichte gut beurteilen. Als ich beim Heer war, schoss ich 4 mal in das gleiche Loch und übte die exakte Ausführung der 116 vorgeschriebenen Schritte innerhalb fünf fortlaufender Minuten.
Ich war auch über metronomische Einheiten sicher und konnte die Flughöhe von Flugzeugen gut beurteilen.
Ich denke, dieser Sinn für Maße, Abmessungen und Distanzen ist eine der Grundvoraussetzungen des Formempfindens.
Daher mag es verwundern, dass mein »absolutes Gehör« (ich nenne es Erinnerung von Tonhöhen), das meine beste Fähigkeit sein sollte, bestenfalls nicht sehr viel bedeutender als meine anderen Talente ist. Ich habe natürlich »absolutes Gehör« – aber ich kann mich nicht hundertprozentig darauf verlassen. Manchmal funktioniert es tadellos und ich folge einer Aufführung, als würde ich eine Partitur lesen. Dann jedoch kann ich nicht einmal eine Tonart erkennen – vor allem, wenn sie nicht exakt intoniert wird. –
Was ich das »analytische Ohr« nenne, ist also nicht ganz verlässlich, und letztlich bin ich langsam darin, die richtigen Fakten zu erkennen. Auf der anderen Seite kann ich mich genau daran erinnern, in der Lage gewesen zu sein, 6 bis 8 Stimmen am Ende meiner Gurre-Lieder zu folgen.«
(Arnold Schönberg, April 1948)

Arnold Schönberg: Naturstücke

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